Führung im 21. Jahrhundert: Kontrolle ist… Vertrauen ist besser.
Welche Führung passt zu mir, meinen Werten und in die Zeit? Warum sollte man alte über Jahrhunderte gepflegte Grundsätze vielleicht doch einmal kritisch hinterfragen?
Leben bedeutet Veränderung, auch in der Führung. Die Einstellungen der jeweils nachfolgenden Generationen von Arbeitnehmern ändern sich. Jede Generation hat andere Werte, andere Ziele. Es gab Zeiten, in denen das für Führungskräften nicht wirklich relevant war. Die neuen Arbeitnehmenden mussten sich an den Gepflogenheiten der Firma orientieren – oder wieder gehen. Und dann hat man einfach jemanden Neues eingestellt, der/die sich den Gegebenheiten besser angepasst hat. Es gab in den meisten Bereichen Arbeitskräfte im Überfluss. Aber diese Zeiten sind – zumindest im Moment – vorbei. Viele Betriebe klagen über den Fachkräftemangel. Unternehmen müssen um Mitarbeitende kämpfen. Firmen bewerben sich um gute Mitarbeitende – nicht mehr umgekehrt. Das bedeutet, dass man viel investieren muss, um gute Leute zu bekommen und zu behalten. Das scheinen viele Führungskräfte zwar noch nicht begriffen zu haben, ist aber trotzdem der Weg zum Erfolg. Man muss u.A. Zeit, Geld, Anerkennung, Fürsorge und die Bereitschaft, auf seine Mitarbeiter und Ihre Wünsche einzugehen, investieren. Wahrlich ein großer Aufwand. Aber vielleicht für viele Firmen der einzige Weg, um langfristig Erfolg zu haben. Und ein neuer Umgang mit Mitarbeitenden bedeutet eben auch: neue Grundsätze in der Führung. Da gibt es diverse aktuelle Modelle und Ideen. Einige werden die Zeiten überdauern, andere als Mode wieder vergehen. Ich möchte in folgenden Blogs noch auf verschiedene Aspekte von Führung eingehen, mich heute aber auf einen beschränken: der Umgang mit Verantwortung. Das Ziel jedes Vorgesetzten sollte es ja sein, seine Mitarbeiter motiviert und engagiert zu halten. Dazu gibt es aber erstaunlich wenig Hebel, eigentlich geht es beim Arbeiten oft nur darum, die vorhandene Eigenmotivation der Mitarbeitenden nicht zu zerstören. Das richtige Maß an Verantwortung ist jedoch einer dieser Hebel. Die meisten Mitarbeitende blühen auf, wenn sie die richtige Dosis an Verantwortung bekommen. Dabei ist das gesamte Spektrum vertreten: Von Menschen, die am liebsten gar keine Verantwortung tragen und glücklich sind, wenn sie nur machen müssen, was Ihnen gesagt wird, bis zu Menschen die gerne für alles die Verantwortung haben möchten. Und natürlich läuft Leben oft in Wellen ab, so dass sich diese Vorlieben – wie alle anderen Neigungen auch – immer wieder ändern können.

Aber wie übergebe ich denn Verantwortung an meine Mitarbeitenden? Diese Frage ist oft gar nicht so einfach zu beantworten, wie sie scheint. Zum einen gilt es auszuloten, wie viel Verantwortung diejenigen denn überhaupt tragen wollen – und wie viel ich abgeben will und darf. Das ist manchmal nur sehr schwer auszutarieren. Da hilft nur viel Transparenz, Kommunikation und die Bereitschaft neue Wege zu beschreiten, auch wenn einige in Sackgassen führen. Entscheidungen, die die Verantwortung betreffen, müssen immer miteinander und im Dialog getroffen werden, um eine möglichst große Akzeptanz zu erreichen. Und diese Dialoge brauchen mehr Zeit als das einfache Leiten durch Anweisungen. Zeit, die man vermeintlich oft nicht hat. Aber das ist meistens ein Irrtum, denn die investierte Zeit wird in der Regel durch die zusätzliche Leistung, die gestiegene Motivation, und die reduzierten Krankentage überkompensiert. Zusätzlich spart auch die Führungskraft Zeit, weil sie Arbeiten besser delegieren kann und weil die Zeit für Kontrolle deutlich reduziert wird. Denn wenn ich Verantwortung abgebe, muss ich auch nicht mehr jeden Arbeitsschritt kontrollieren. Ich weiß, noch ist Kontrolle eine wichtige Führungsaufgabe. Denn Fehler passieren und müssen minimiert werden.
Sollte ich als Führungskraft zwecks Fehlervermeidung also alles kontrollieren? Und wenn ich das mache, habe ich dann wirklich Verantwortung abgegeben? Selbstverständlich gibt es immer Bereiche, in denen das 4 Augen (oder gar 6 Augen) Prinzip gelten muss. Aber diese Bereiche sind eher selten und einige Studien kommen zu dem Schluss, dass man die Zeit, die man für Kontrolle aufbringt, sehr oft viel effektiver einsetzen kann.
Aber wie wird dann kontrolliert, wenn das kaum noch durch die Führungskraft geleistet wird? Durch das Team selbst. Die Kollegen sind alle darauf bedacht, dass alle gute Arbeit leisten. Das das für die Mehrheit der Mitarbeiter stimmt, kann man gerne in seinem eigenen Unternehmen überprüfen. Und wenn man die gruppendynamischen Prozesse nutzt, um ein Teamgefühl zu entwickeln, dann werden die wenigen Mitarbeiter, die nicht genug Einsatz zeigen, durch das Team eingefangen – in einem selbstorganisierten System. Dazu ein Zitat eines der ersten Geschäftsführer, die selbstorganisierte Teams in die Praxis einführte:

„Es gibt in allen Unternehmen 3 Prozent schwarze Schafe wegen denen [auch] die anderen 97 Prozent kontrolliert werden und deswegen noch nicht einmal 50 Prozent von dem leisten, zu was sie durch ihr Talent und Wissen eigentlich fähig wären.“ (Jean Francois Zobrist, „Unternehmensbefreier“)
Ist das nicht auch unsere eigene Erfahrung? Das die große Mehrzahl der Mitarbeiter einfach nur einen guten Job machen wollen? Unsere Aufgabe als Führungskraft ist also nicht die Kontrolle, sondern das Erschaffen eines Teamgefühls und eines selbstorganisierten Systems.
Quellen:
Bruch H, Block C, Färber J (2016) TOP JOB-Trendstudie 2016. Arbeitswelt im Umbruch. Von den erfolgreichen Pionieren lernen. Universität St. Gallen. http://interchange-michalik.com/wp-content/uploads/2016/06/Trendstudie_Neue_Arbeitswelt.pdf. Zugegriffen: 3. Dez. 2018
Gesundes Führen: Life-Balance versus Burnout im Unternehmen, von Mathias Lohmer, Bernd Sprenger, Jochen von Wahlert, Klett-Cotta 2018
https://www.nzz.ch/meinung/kolumnen/kontrolle-ist-gut-vertrauen-ist-besser-ld.1340119
(Zugriff 10.05.21)