„Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ Psalm 31,9
Ein Teil eines Psalms aus der Bibel– und auch noch mein Trauspruch. Aber was hat das mit Coaching zu tun?
Vielleicht ist das irgendwie zu offensichtlich, vielleicht aber auch nicht.
„Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ Was heißt das, wenn man es aus dem biblischen Kontext löst? Nun offensichtlich ist da ein „Du“, der/die Etwas verändert hat. Aber was? Füße auf weiten Raum gestellt… Natürlich wissen wir nicht, was vorher war, aber eine Vermutung wäre ja, dass der Raum für die Füße vorher enger gewesen ist. Vielleicht sogar zu eng. Das wäre sicherlich eine mögliche ja vielleicht sogar wahrscheinliche Hypothese. Der/die Sprecher/in hat jetzt also mehr Möglichkeiten als bisher, mehr Raum sich zu entfalten, mehr Raum sich zu bewegen – aber vielleicht auch weniger Halt, weniger Sicherheit. Denn auch damit kann „mehr Raum“ verbunden sein. Haltlosigkeit, Überforderung, Angst sind genauso möglich wie Freiheitsgefühle, Neugier, oder Freude.
Freut sich der/die Sprecher/in im Psalm eigentlich über diesen neuen weiten Raum? Oder ist er/sie ob der Haltlosigkeit verängstigt. Auch hier sind wir auf Vermutungen angewiesen. Aus dem Kontext im Psalm ergibt sich aber, dass der weite Raum als positiv gedeutet wurde.
Und so sehen wir ja auch Coaching: Gedankenschranken auflösen, neue Sichtweise und neue Möglichkeitsräume schaffen. Also wäre es doch schön, wenn wir im Coaching nicht nur den Füßen, sondern auch dem Kopf mit seinen Gedanken, Glaubenssätzen und Haltungen mehr Raum und neue Perspektiven geben, oder?
Ja, unbestritten ist wohl, dass solch neue Sichtweisen beim Coachee das Ziel des Coachings sind. Wie schön ist es, wenn alte, eventuell verkrustete Wirklichkeitskonstrukte plötzlich in einem anderen Licht erscheinen. Wenn wir neue Räume – Möglichkeitsräume öffnen. Also: Stellen wir die Füße auf weiten Raum?
Nein, genau das tun wir nicht.
Es ist niemals unsere Aufgabe als Coach, neue Räume zu öffnen – es ist unsere Aufgabe, die Coachees diese selbst öffnen zu lassen und durch unsere Techniken (systemische Fragen, Refraiming, etc.) dabei zu unterstützen. Der/die Coachee öffnet die Räume für sich… er/sie stellt seine/ihre Füße auf weiten Raum. Wir als Coaches achten darauf, dass neue Perspektiven entstehen können und geben notfalls Halt, wenn diese zu groß, zu beängstigend oder zu haltlos werden. Wir stellen keine anderen Füße in weiten Raum…
Und trotzdem hat dieser Satz ganz viel mit Coaching zu tun: Denn die Coachees laden uns ein, unsere Füße auch auf weiteren Raum zu stellen –auch wir bekommen neue Perspektiven, neue Inhalte, neue Möglichkeiten – einfach nur durch den Prozess und den Input der Coachees. Insofern stellt auch jeder Coachee meine Füße auf einen weiteren Raum. Vielen Dank an alle Coachees, das ist ein kostbares Geschenk.